Magnetische Polumkehr und 

Kontinente in Bewegung


 

Kontinente und Ozeane 

Trägt man die Höhe über dem Meeresspiegel für alle Teile der Erde auf - einschließlich der Gebiete unter dem Meeresspiegel - bemerkt man eine interessante Tatsache: Die Höhen gruppieren sich mehrheitlich in zwei Clustern, d.h. sie können je einer von zwei Gruppen zugeordnet werden.

Der überwiegende Teil  der Festlandsgebiete erhebt sich nur wenig über den Meeresspiegel, während der Großteil der Ozeanböden sich etwa 3 km darunter befindet. Höhenlagen zwischen diesen beiden gehäuft auftretenden Werten, etwa Ozeangebiete mit einer Tiefe von nur einem Kilometer, sind vergleichsweise selten. Ein Atlas zeigt uns, daß vor den Küsten der USA die Meerestiefe zunächst allmählich zunimmt, dann aber abrupt abbricht, um sich noch weiter vor der Küste auf einem konstanten Niveau einzupegeln. 

Was bedeutet das? Man kann daraus schließen, daß die Oberfläche der Erde nicht aus einem Guß ist, kein einheitliches Gebilde mit nur geringen Höhenschwankungen, von denen ein Teil sich über das Wasser erstreckt. Stattdessen gehört jede Region zu einem von zwei grundverschiedenen Typen. Die Ozeane sind ungefähr gleich tief, und die Kontinente sind ebenfalls einheitliche Gebilde, mächtig genug, sich aus dem Wasser zu erheben. An ihren Rändern jedoch werden sie von flachen Gewässern bedeckt

      Alfred Wegener

Kontinentalverschiebung 

Alfred Wegener (1880-1931), ein Deutscher Arktisforscher und Geophysiker, war von der Ähnlichkeit zwischen Kontinenten und arktischem Treibeis fasziniert. Genau wie die Kanten von Treibeis, welches durch das Losbrechen von Eisschollen vom Seeeis entsteht, ähnelten sich auch die Ränder der Kontinente, z.B. die von Afrika und Südamerika. Sollten diese Landmassen etwa auch einst miteinander verbunden gewesen sein? 

Wegener fand andere Übereinstimmungen, z.B. von Gesteinsformationen entlang der passenden Kontinentalränder. In seiner 1918 veröffentlichten Theorie der  "Kontinentalverschiebung" behauptete er daraufhin, daß Kontinente genau wie Treibeis von einem Ort zum anderen drifteten. Er glaubte, daß die Kontinente auf tieferen Schichten unter ihnen schwammen, die flüssig genug waren, um diese Bewegung in Zeiträumen von Millionen von Jahren zu erlauben. Die Energiequelle für diese Bewegung war vermutlich die innere Wärme der Erde. 

Wegeners Idee stieß auf erbitterten Widerstand unter etablierten Geophysikern. Besonders Sir Harold Jeffreys aus Großbritannien verwies darauf, daß die tieferen Schichten sich in keiner Weise wie Flüssigkeiten verhielten, sondern der vorgeschlagenen Bewegung enormen Widerstand entgegensetzen würden. Nach dem Tod Wegeners, der 1931 während einer Arktisexpedition umkam, wurde seine Theorie von nur einer handvoll Anhänger weiter verbreitet. Bevor die Theorie Gewicht gewinnen konnte, wurden mehr Beweise benötigt - und sie fanden sich - im Erdmagnetismus
 

Magnetische Polumkehr 

Wenn aus einem Vulkan geschmolzene Lava austritt, so verfestigt sie sich zu Festgestein. In den meisten Fällen ist dies  ein schwarzes Gestein namens Basalt. Basalt ist schwach magnetisch, wie auch aus einer Schmelze gewonnenes Eisen, das bereits Gilbert untersucht hatte. Die Magnetisierung des Basalts zeigt in die Richtung, die das örtliche Erdmagnetfeld zur Zeit der Abkühlung der Schmelze besaß. 

Die Magnetisierungsrichtung des Basalts kann mit Hilfe spezieller Instrumente bestimmt werden. Wenn sich daher aus einem Vulkan in der Vergangenheit viele Lavaflüsse ergossen haben, können Wissenschaftler die Magnetisierungsrichtungen dieser einzelnen Flüsse bestimmen und daraus schließen, wie sich das lokale Erdmagnetfeld in der Vergangenheit verändert hat. Erstaunlicherweise folgte aus solchen Untersuchungen, daß es Zeiten gegeben haben mußte, wo die Richtung des Erdmagnetfeldes der heutigen entgegengesetzt gewesen war. Verschiedenste Erklärungen wurden für diese Daten vorgeschlagen, doch die einzige, die allen Anfechtungen standhalten konnte, war, daß sich in ferner Vergangenheit tatsächlich die magnetische Polarität der Erde von Zeit zu Zeit umgekehrt haben mußte. 
 

Achtung: Diese Webseite erhält viele Anfragen zur Umkehr der Magnetpole. Sind solche Ereignisse gefährlich, bedrohen sie das Leben auf der Erde? Passiert soetwas bald wieder? Wie schnell wechselt die Polarität? Hier findet man Antworten auf vier dieser Fragen (in englisch).

 

Magnetisierung des Ozeanbodens

Mittelozeanischer
Rücken
Mitte der 50er Jahre wurden elektronische Magnetometer entwickelt. Anders als frührere Geräte, die das Prinzip der Kompaßnadel verwendeten, konnten die neuen Instrumente auch hinter Schiffen und Flugzeugen hergezogen werden. Ölfirmen benutzten sehr schnell luftgestützte Systeme zur Kartierung der schwachen Magnetisierung von Gesteinen, um Ölquellen zu orten. Die Magnetisierung des Festlands erschien dabei reichlich durcheinander und wenig geordnet. 

Als man derartige Messungen auf die Ozeane ausdehnte, zeigte sich ein überraschender Unterschied: Auf dem Ozeanboden war die Magnetisierung sehr regelmäßig in langen Streifen angeordnet. Besonders im Atlantischen Ozean schienen diese Streifen parallel zu den "mittelozeanischen Rücken" zu verlaufen. Dies ist eine Vulkankette, die bis auf einige Zick-Zack-Abschnitte weitestgehend in Nord-Süd-Richtung verläuft, ziemlich genau in der Mitte zwischen Europa-Afrika und Amerika. Die Kette wird durch einige Vulkaninseln und Herdgebiete von Erdbeben markiert. Bei detaillierten Untersuchungen mit U-Booten fand man auf den mittelozeanischen Rücken auch Lava-Austrittspunkte.
Magnetisierung des Ozeanbodens 
(Abbildung des USGS)

Die magnetischen Streifen waren nicht nur parallel zu den Rücken ausgerichtet, sondern auch auf beiden Seiten erstaunlich symmetrisch.  Eine bestimmte Kombination von schmalen und breiten Streifen in einer gewsissen Entfernung östlich des Rückens, hatte jeweils ein spiegelbildliches Muster in gleicher Entfernung westlich des mittelozeanischen Rückens

Aufspreizung des Ozeanbodens

Diese rätselhaften Strukturen wurden 1962 von Lawrence Morley erklärt (nachdem dessen Artikel zunächst von den Zeitschriften als zu spekulativ zurückgewiesen worden war) und von Drummond Matthews und Fred Vine. Sie alle schlugen vor, daß der Ozeanboden in dauernder Bewegung war, und vom zentralen Rücken mit einer Geschwindigkeit von etwa 2.5 cm pro Jahr weggezogen wurde. 

Durch das Auseinanderdriften der "Platten" an beiden Seiten des Rückens tritt in der Mitte flüssige Lava aus, verfestigt sich und "speichert" das vorherrschende magnetische Feld wie ein Kassettenrekorder auf dessen Magnetband Information geschrieben werden. Der neu gebildete Basalt klebt an den Platten und wird seinerseits mit ihnen auseinander gezogen, im Osten Richtung Europa und Afrika, im Westen Richtung Amerika. Etwa alle halbe Million Jahre kehrt sich die Polarität des Erdmagnetfeldes um und mit ihr die Polarität des Ozeanbodens. Jeder Streifen steht daher für eine Epoche der jeweiligen Polarität. Die Symmetrie wird ebenfalls erklärt: Wie in einem gigantischer Magnetbandrekorder mit zwei Bändern, die wie Zwillinge aus den mittelozeanischen Rücken austreten und sich dann in entgegengesetzte Richtungen fortbewegen, wird die jeweilige Polrichtung in die Ozeanische Erdkruste eingespeichert. Ähnliche magnetische Streifen wurden auch in allen anderen Ozeanen gefunden. 
Auseinanderdriften des Ozeanbodens 
(Abbildung des USGS)

Wenn sich der Ozeanboden bewegt, so  ist es wahrscheinlich, daß die Kontinente an den Ozeanrändern diese Bewegung teilen - wie es Wegener vermutet hatte. Der einzige Unterschied scheint zu sein, daß die Platten sich ihren Weg nicht durch eine halbflüssige Substanz "drücken", sondern daß die Kontinente (zumindest einige von ihnen) auf einer Art "Förderband" in den Flüssigkeiten reiten. Dies sind die "Platten", die an den ozeanischen Rücken entstehen und (zumindest in einigen Fällen) in Tiefseegräben wieder verschwinden wie etwa vor der Küste Japans oder in der Karibik. 

Die Wissenschaft von der Formung der Erdkruste trägt den Namen "Tektonik," und der hier beschriebene Prozeß ist die Kernidee der "Plattentektonik".  Die Erdkruste besteht aus verschiedenen Platten, die pemanent in Bewegung sind und mitunter Kontinente oder Teilkontinente tragen. Die gesamte Bewegung wird durch die thermische Energie im Inneren der Erde angetrieben. 

Die an Kalifornien angrenzende pazifische Platte rotiert zum Beispiel langsam und bewegt sich dabei nordwärts. Eine Kante Kaliforniens ist an dieser Platte festgemacht und bewegt sich ebenfalls nordwärts, doch der Hauptteil des Kontinents tut dies nicht. Die Verbindungslinie zwischen beiden, wo eine Platte an der anderen vorbeigleitet, ist die berühmte San-Andreas-Störung


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Leseempfehlung:

(1) Kurzbiographie Alfred Wegener auf der Seite zur Geschichte der Geophysik der TU Braunschweig.
(2) 1996 veröffentlichte der US Geological Survey (USGS) ein Buch namens "This Dynamic Earth" von W. Jacquelyne Kious and Robert I. Tilling. Dieses Buch ist in englisch vollständig im Netz verfügbar und kann hier geöffnet werden. In klarer Sprache und mit vielen Abbildungen, einschließlich der oben gezeigten, erzählt es die Geschichte der Plattentektonik in größerer Ausführlichkeit, als es hier möglich ist. Eines seiner äußerst interessanten Abschnitte beschreibt das Leben und Werk Alfred L. Wegeners

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Autor und Kurator:   Dr. David P. Stern
     E-mail an Dr.Stern:   earthmag("at" symbol)phy6.org

Deutsche Bearbeitung: Sven Friedel, Universität Leipzig
Letzte Änderung 17. September 2001